Hightech: Von der Forschung über die Züchtung auf den Acker

Wir haben in der praxisnah schon oft darüber berichtet, wie aufwendig und personalintensiv die Selektionsarbeiten vor allem im Feld sind. Hier möchten wir das Gemeinschaftsprojekt „SENSELGO“ vorstellen, das diese Arbeiten erheblich vereinfachen und auch objektiver machen soll: Damit in Zukunft der Zuchtfortschritt noch schneller in der Praxis ankommt.

 

 

Am 21. Mai trafen sich in Freising/Moosburg auf Einladung der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzen­innovationen e.V. (GFPi), im Rahmen der diesjährigen Sommertagung sehr viele bekannte Namen aus der Getreideforschung und der Züchtung. Nach eineinhalb Tagen intensiven Austausches zu aktuellen Themen der Getreideforschung wurde es jetzt praktisch-technisch. Das hier vorgestellte Forschungsprojekt „SENSELGO“ wird von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. gefördert und ist ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule Osnabrück und der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim. Wegen des regnerischen Wetters fand die Vorführung leider nicht auf dem Feld der Versuchsstation Bayern, sondern in einer Maschinenhalle statt.


Triticale als ressourcenschonende Rohstoffpflanze

Die zur sensorbasierten Phänotypisierung von Feldversuchen bei Getreide notwendigen Sensoren sind an verschiedenen Positionen auf einem Trägerfahrzeug montiert. Das Trägerfahrzeug kann auf unterschiedliche Parzellenbreiten und Pflanzenhöhen eingestellt werden und ist in einem Modulsystem mit unterschiedlichen Sensoren, Kameras und hochauflösende Bilder produzierenden Lichtgittern ausgerüstet. Die Daten der verschiedenen Sensorsysteme können gemeinsam zur Messung von Pflanzeneigenschaften genutzt werden.

Das laufende, hier vorgestellte Forschungsprojekt „SENSELGO“ hat das Ziel, die Züchtung von Getreide, hier am Beispiel Triticale, als ressourceneffiziente Rohstoffpflanze zu unterstützen.

Bei der Züchtung wird während der Vegetationsphase die Auswahl in den Zuchtparzellen aufgrund optischer Eigenschaften getroffen. Würde man massenweise Pflanzen für Laboruntersuchungen oder Wiegungen ernten oder beschädigen, könnte man mit diesen Pflanzen ja nicht weiterzüchten. Es bleibt bei der Arbeit im Zuchtgarten also nur die Phänotypisierung, also das Selektieren aufgrund des Erscheinungsbildes. Bei einigen Eigenschaften ist das für einen Menschen auch relativ problemlos möglich, bei Eigenschaften wie Biomassebildung, Bestandesdichte oder Fotosyntheseaktivität jedoch wird die Einschätzung ohne konkrete Messung selbst bei jahrzehntelanger Erfahrung ungenau bzw. unmöglich. Und hier setzt das Projekt an: Es entwickelt Phänotypisierungsmethoden weiter, um neben dem Biomasseertrag auch ertragsbildende Merkmale wie die Fotosyntheseaktivität und physiologische Merkmale zu erfassen. Diese werden dann so verarbeitet und mit bestehenden Verfahren kombiniert, dass eine Vorhersage der gewünschten Eigenschaften im Züchtungsprozess er­mög­licht wird. Geplant ist auch ein „Lichtgitterkamm“, mit dem die Anzahl und die Verteilung der Ähren tragenden Halme erfasst werden kann. Die Bestandesdichte im fortgeschrittenen Wachstumsstadium zu bestimmen, ist für das menschliche Auge extrem schwierig, zumal sich die Ähren und Blätter unterschiedlich neigen und sich die Pflanzenhöhen unterscheiden.


Auch den geänderten Düngevorgaben trägt das Projekt Rechnung: Zur Identifizierung von Getreidepflanzen mit einem geringeren Düngerbedarf bzw. mit einer hohen Stickstoffnutzungseffizienz ist ein Feldversuch mit vier Stickstoffdüngungsstufen Teil dieses Projektes.


Viel Technik, aber bitte nicht zu viel

In seinem Vortrag brachte es Prof. Dr. Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück auf den Punkt: „Wir wollen keinen technischen Overkill, der an der Praxis vorbeigeht!“ Die Anschaffung dieses derartig aus- und hochgerüsteten Fahrzeuges, so wie es hier stehe, sei für keinen der anwesenden Züchter ökonomisch darstellbar. Entscheidend sei, was wirklich vor Ort in dem jeweiligen Züchterhaus benötigt würde: Die Technik, die die Arbeit erleichtere und verbessere und einfach bedienbar sei. Er betonte mehrfach, dass fast jedes der Sensor-Module auch einzeln nutzbar sei, auch auf sehr viel einfacheren Trägerfahrzeugen. „Diese Technik ist ein Hilfsmittel. Wo sie nicht hilft, ist sie verzichtbar.“


Einzelne Module sind im Praxiseinsatz

Einzelne dieser Module werden allerdings schon mit großem Erfolg in der Praxis angewendet, wie Simon Schmidbauer von der Versuchsstation Bayern in seinem Vortrag eindrucksvoll darstellen konnte. Die Moosburger setzen bereits seit 2017 eine Drohne als Trägerfahrzeug für die jeweiligen Sensoren ein. So kann z. B. die Pflanzenhöhe eines Bestandes mit nur zwei Überflügen sehr zuverlässig und vor allem schnell ermittelt werden. „Für 10 Hektar brauchen wir für die Messung und die gesamte Auswertung einen Personentag und sind damit deutlich effizienter als früher“, erklärt der Leiter der Versuchsstation Bayern, Franz-Xaver Zellner.

Mit derselben Kamera kann man per Drohne die Pflanzen in einem Maisbestand sehr schnell zählen, in einem anderen Verfahren ermittelt eine Multispektralkamera in den Moosburger Versuchsparzellen die Biomasse von Getreidebeständen.

Die SAATEN-UNION GmbH Versuchsstation Bayern profitiert also schon von dem Projekt und integriert – ganz ohne „technischen Overkill“ – einzelne Sensoren bereits jetzt in ihre Arbeit. Simon Schmidbauer betont: „Der Datenvergleich mit den „manuellen“ Messungen hat gezeigt, dass diese Technik in der Regel objektiver und auch schneller ist.“


Das Prinzip ist immer dasselbe

Ganz gleich, ob man wie in Moosburg nur einzelne Sensoren einsetzt oder wie im Versuch mehrere, deren Daten dann miteinander abgeglichen und verrechnet werden können. Das Prinzip ist immer dasselbe: Sensoren (1) sammeln Daten (2), die in eine Datenbank (3) fließen. Diese Datenbank ist die Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Welt. Die Datenaufbereitung (4) findet dann offline am PC in den Züchtungsstationen statt, wo dann letztlich auch ihre Analyse und Interpretation (5) erfolgen muss. Diese können z. B. als (Zusatz)Informationen in die Arbeit der Züchter integriert werden.


Es gibt bei „SENSELGO“ noch viel zu tun und auch bei der Datenaufbereitung ist noch Entwicklungsbedarf. Insofern liegt das Große und Ganze noch in der Zukunft – hilfreiche „Einzelteile“ haben aber schon jetzt Einzug in die (Züchtungs)Praxis gehalten. Und diese helfen bereits heute dabei, die Sorten von morgen effektiver in die landwirtschaftliche Praxis zu bringen.

Dr. Anke Boenisch


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